Die vegetative Vermehrung
Inhalt:
- Vermehrung unter keimfreien Bedingungen
- Meristemkultur
- Wo findet man Knospen für die in vitro Vermehrung
- Nodienkultur
Von einer vegetativen/klonalen Vermehrung spricht man, wenn die Nachkommen ident mit der Ausgangspflanze sind. Benötigt wird diese Vermehrungsart immer dann, wenn man von einer Pflanze Kopien erzeugen möchte. Einige Beispiele aus der gärtnerischen Praxis sind die Stecklingsvermehrung, das Teilen von großen Pflanzen und das Abmoosen. Auch das Veredeln ist eine Art der vegetativen Vermehrung, die bei Orchideen aber leider nicht anwendbar ist.
Bei Orchideen werden durch das Kreuzen verschiedener Elternpflanzen deren Eigenschaften kombiniert und durch laufende Selektion die gewünschten Pflanzen erzeugt. Würde man eine solche Hybride/Kreuzung mit ihrem eigenen Pollen bestäuben und die daraus entstandenen Samen anbauen, dann würden die Nachkommen nicht mehr die gleichen Eigenschaften besitzen, weil sich beim Bestäuben die Erbinformationen erneut mischen. Die einzige Möglichkeit eine gelungene Kreuzung zu vervielfachen ist die vegetative Vermehrung.
Bei sympodial wachsenden Orchideen (z.B. Cattleya, Encyclia, usw.) ist das Teilen der Pflanze die einfachste Art der vegetativen Vermehrung. Monopodiale Orchideen (z.B. Phalaenopsis, Vanda, usw.) sind schon etwas schwieriger zu vermehren, weil es in der Regel nur einen Trieb ohne Seitentriebe gibt.
Bei der Gattung Phalaenopsis bilden sich manchmal an den Knoten (Nodien) des Blütentriebs Kindel mit Wurzeln, die abgetrennt und eingetopft werden können. Durch das Auftragen von sogenannten "Keiki-Pasten" (enthalten Cytokinine zur Förderung des Austreibens der ruhenden Knospen) lassen sich die ruhenden Knospen motivieren auszutreiben. Manche Dendrobium-Bulben bilden Neutriebe, wenn man sie auf Pflanzstoff auflegt. Ganz ähnlich verhalten sich Blütentriebe von Phaius. Legt man die Blütentriebstücke mit den schlafenden Augen in Moos, treiben diese Knospen aus und bilden Jungpflanzen (siehe Phaius Nodienkultur auf Erde).
Vermehrung unter keimfreien Bedingungen
Alle bisher beschriebenen Methoden haben als Nachteil, dass sich bei Vorliegen von wenigen Ausgangspflanzen nur eine recht geringe Mengen an Jungpflanzen in einer gewissen Zeit produzieren lassen. Das liegt daran, dass die Jungpflanzen nicht beliebig schnell geteilt werden können, weil sie zum Teilen eine bestimmte Mindestgröße benötigen und das dauert seine Zeit.
Die Vermehrung unter keimfreien Bedingungen in einem Labor (in vitro Vermehrung) hebt diese Einschränkung auf. Zu Beginn steht immer das Finden/Auswählen von geeignetem Ausgangsmaterial. Grundsätzlich ist es möglich, aus jeder Pflanzenzelle eine vollständige Pflanze zu regenerieren. Leider ist gerade beim Einsatz von wenigen Zellen die Gefahr von Mutationen recht hoch. Da Veränderungen im Erbgut in der Regel nicht erwünscht sind, wählt man für den Start der Vermehrung größere Pflanzenteile. Die erste Wahl sind hier in der Regel Knospen, weil diese bereits von der Pflanze zum Bilden eines neuen Triebs geschaffen wurden und "nur" noch motiviert werden müssen auszutreiben.
Die Knospen werden entnommen, von Kontaminationen (Pilze & Bakterien) gereinigt und auf keimfreie Nährböden gebracht. Diese Nährböden enthalten alle für das Pflanzenwachstum nötigen Substanzen. Damit die in Ruhe befindlichen Knospen austreiben, werden dem Nährboden Wuchsstoffe (z.B. Cytokinine) zugesetzt. Binnen einiger Wochen treiben die Knospen aus und bilden eine oder mehrere Jungpflanzen, die dann wieder und wieder geteilt werden können. Durch das viel kürzere Teilungsintervall ist man mit diesem Verfahren in der Lage mehr Pflanzen in der selben Zeit zu produzieren.
Die Anzahl der Pflanzen pro Zeiteinheit lässt sich weiter steigern, indem man nicht die ruhende Knospe in Kultur nimmt, sondern nur das Gewebe in der Knospe. Im folgenden Bild ist eine Knospe eines Ahorns zu sehen, bei der mit einem roten Rahmen das zu entnehmende Gewebe markiert wurde.
Wenn man dieses Gewebe (Würfel mit einer Seitenlänge von 1-2mm) in flüssigem Nährboden unter ständiger Bewegung kultiviert, bekommt es die nötige Luftzufuhr und verliert die Orientierung. Der Orientierungsverlust führt dazu, dass sich das Gewebe weiter teilt und keine Blätter und Wurzeln entstehen. Sobald das so vermehrte Gewebe auf feste Nährböden überführt wird, bilden sich Blätter und Wurzeln.
Meristemkultur
Bei dieser Art der Vermehrung wird unter einem Mikroskop aus der Knospe nur das zentrale teilungsaktive Gewebe (das Meristem) entnommen. Diese Gewebe ist der Ort, an dem neue Blätter, Blüten, usw. entsteht (entspricht etwa einem Würfel mit einer Seitenlänge von 0,5 - 1mm).
Der Vorteil des Meristems ist, dass es in der Regel frei von eventuell in der Pflanze lebenden Viren und Bakterien ist und sich so (meist in Kombination mit einer Wärmebehandlung) virusbefallene Pflanzen von diesem befreien lassen. Kultiviert werden die Meristeme genauso wie die im vorigen Abschnitt beschriebenen Gewebestücke aus den Knospen.
Im Handel wird gerne das Wort Meristem verwendet um zu signalisieren, dass die angebotenen Pflanzen Kopien einer bestimmten Mutterpflanze sind. In den meisten Fällen wurden die Pflanzen aber nicht über das Meristem sondern über das leichter zu entnehmende Gewebe in der Knospe vermehrt. Die produzierten Pflanzen sind in beiden Fällen Kopien der Ausgangspflanze.
Wo findet man Knospen für die in vitro Vermehrung
Am einfachsten findet man diese Knospen, indem man sich ansieht, wie sich die Pflanzen unter normalen Bedingungen vegetative vermehren. Wie bereits in der Einleitung erwähnt, bilden manche Pflanzen (z.B. Phalaenopsis) an ihren Blütentrieben Kindel. Das ist ein Zeichen dafür, dass sich an diesen Stellen ruhende Knospen befinden, die für die Vermehrung verwendet werden können. Es folgenden nun einige Beispiele aus der Praxis.
Die Aufzeichnung eines interessanten Vortrags von Steve Arthur zum Thema "in vitro Vermehrung von Cattleyen" gibt es hier. Ab Minute 19 wird das konale Vermehren über Knospen an Neutrieben von Cattleya erklärt!
Autor: Thomas Ederer