Einführung in die Orchideenkeimung
Orchideensamen besitzen im Vergleich zu anderen Samen (wie z.B. Apfelkerne, Mangokerne) kein Nährgewebe, das den Embryo in der ersten Entwicklungsphase ernährt. Aus diesem Grund sind die Samen sehr klein und werden in sehr großen Zahlen produziert. Pro Samenkapsel können bis zu 1.000.000 Samen gebildet werden.
Aufgrund des fehlenden Nährgewebes benötigen die Orchideensamen am Beginn der Keimung einen Symbiosepilz (Mykorizzapilz), der den Embryo ernährt. Dieser Pilz versorgt den Samen mit allen notwendigen Substanzen (Zucker usw.) und ermöglich damit die Keimung.
Fällt ein keimfähiger Samen z.B. auf ein Rindenstück, dann beginnt der Samen aufzuquellen und wartet auf den Symbiosepilz, der den Samen bei der weiteren Entwicklung unterstützt. Sobald der Pilz in den Samen eingedrungen ist (in den äußeren Zellschichten) kann der Samen weiter wachsen. Das Samenkorn bildet eine undifferenzierte Masse an Zellen (kleines Kügelchen), das Protokorm genannt wird. Die Protokorme sind in ihrer Entwicklung zu Beginn meist weiß oder leicht cremefärbig, werden aber mit zunehmenden Alter immer grüner.
Wir haben beispielsweise Samen von Epidendrum radicans ausgesät die binnen einer Woche grüne Protokorme bilden. Samen von Cyrtopodium punctatum haben dafür fast 2 Monate benötigt.
Die Protokorme wachsen solange weiter bis sie stark genug sind, um erste Blattanlagen zu bilden. Ab einer gewissen Größe können die jungen Orchideen ohne den Symbiosepilz auskommen.
Symbiotische Aussaat im Topf der Mutterpflanze
Dies ist ein lang bewährte Methode die hauptsächlich vor der Entwicklung der in vitro (in der Flasche) Kultur verwendet wurde. Bei dieser Methode wird die Tatsache ausgenützt, dass sich manchmal bei den Wurzeln der Mutterpflanze bzw. im Substrat der Symbiosepilz befindet. Die frischen Samen werden auf oder in die Nähe der Wurzeln der Mutterpflanze gestreut und dort konstant feucht gehalten. Mit etwas Glück finden die Samen dort den notwendigen Pilz und beginnen zu keimen. Da bei dieser Art der Vermehrung die Samen den Schädlingen (kleine Schnecken usw.) und Umwelteinflüssen (Austrocknung) voll ausgesetzt sind, können keine große Menge an Nachkommen produziert werden.
Symbiotische Aussaat (in vitro)
Die Weiterentwicklung der Aussaat im Muttertopf ist die symbiotische Aussaat unter sterilen Bedingungen. Hierbei wird der Pilz aus den Orchideenwurzeln isoliert und auf nährstoffarmen Nährböden (z.B. Hafermehlagar) kultiviert. Im nächsten Schritt werden die Orchideensamen oberflächensterilisiert und auf den vom Pilz besiedelten Nährböden verteilt. Ist der Pilz mit den Orchideensamen kompatibel, keimen die Samen und es entstehen Jungpflanzen. Diese Technik hat den Vorteil, dass die Gefahr von Schädlingen und Umwelteinflüssen wegfällt und daher mit der selben Menge an Samen mehr Jungpflanzen gezogen werden können. Dem gegenüber steht der Aufwand einen kompatiblen Pilz zu isolieren (was nicht immer so leicht geht).
Asymbiotische Aussaat (in vitro)
Da bei der symbiotischen Aussaat unter sterilen Bedingungen das Testen der isolierten Pilze recht zeitraubend sein kann, hat man sich überlegt, wie man diese Aussaattechnik weiter vereinfachen kann. Die Lösung ist ein Nährboden der alle Substanzen enthält die der Symbiosepilz in der Natur der Orchidee liefert. Man muß "lediglich" einen entsprechenden Nährboden zubereiten, die Samen desinfizieren und sie unter sterilen Bedingungen auf den Nährboden legen. Die Samen keimen dann nach einigen Wochen und entwickeln sich zu Jungpflanzen. Mehr Details zu diesem Thema gibt's unter asymbiotische Aussaat.
Autor: Thomas Ederer